Nur 20 Minuten pro Stunde für Züge nutzbar: Neue Friesenbrücke wird sofort zum Nadelöhr

Keine attraktive Direktverbindung zwischen Deutschland und Niederlanden möglich

Nach über neun Jahren Unterbrechung soll mit der Fertigstellung der neuen Friesenbrücke Ende 2024 der grenzüberschreitende Zugverkehr zwischen den Niederlanden und Deutschland wieder aufgenommen werden. Seit langem wird auch über eine attraktive und schnelle Direktverbindung zwischen Groningen, Leer, Oldenburg und Bremen diskutiert, die ein Kernelement des Wunderline-Projekts darstellt. Wie sich zeigt, wird es diese Direktverbindung bis auf weiteres nicht geben können. Schuld daran ist eben die neue Friesenbrücke.

Der Grund dafür ist, dass die Brücke nach aktuellen Planungen nur 20 Minuten pro Stunde dem Zugverkehr zur Verfügung stehen soll, weil sie die Ems und damit eine Bundesschifffahrtstraße überquert, wo Schiffe grundsätzlich Vorrang genießen. Die Fahrgastverbände ROVER aus den Niederlanden und PRO BAHN aus Deutschland sind entsetzt über diese verwaltungstechnische Vorgabe, die jeglichen attraktiven Fahrplan unmöglich macht.

„Die verfügbaren 20 Minuten werden nur dazu ausreichen, den stündlichen Regionalzug zwischen Groningen und Leer über die Brücke verkehren zu lassen“, stellt Menno Visser, Vorsitzender von ROVER in der Provinz Groningen, dazu fest. „Weitere Zugfahrten, etwa ein Expresszug, sind in dieser Zeit nicht möglich, auch weil die Strecke westlich von Ihrhove dauerhaft eingleisig bleibt.“

Die beiden Fahrgastverbände finden die Zeitvorgabe umso widersinniger, als nur sporadisch Seeschiffe mit hohen Aufbauten die Brücke passieren. Die bei weitem meisten Schiffe auf der Ems sind flache Binnenschiffe, die auch unter der geschlossenen Friesenbrücke hindurchfahren können. Lediglich ein- bis zweimal pro Tag müsste die Brücke nach den uns vorliegenden Informationen für Schiffe geöffnet werden.

Malte Diehl, PRO-BAHN-Landesvorsitzender für Niedersachsen und Bremen, kommentiert dies folgendermaßen: „Die Zeiten sind völlig falsch zwischen Zügen und Schiffen verteilt. Um einen zuverlässigen und attraktiven Zugverkehr auf der Wunderline aufzubauen, fordern wir, dass die Brücke pro Stunde mindestens 35 Minuten dem Zugverkehr zur Verfügung steht. Idealerweise werden die Öffnungszeiten für Schiffe auf drei bis vier feste, kurze Zeitfenster pro Tag beschränkt.“

Nur so sehen PRO BAHN und ROVER eine Möglichkeit, langfristig einen stündlichen, schnellen Direktzug mit einer Fahrzeit von um die 90 Minuten zwischen Groningen und Bremen anzubieten, der in jedem Fall zusätzlich zu den langsamen Regionalbahnen verkehren muss.

Übergangsweise sprechen sich beide Fahrgastverbände dafür aus, unmittelbar nach der Fertigstellung der Brücke bereits erste direkte Züge von Groningen nach Bremen fahren zu lassen. Eine Untersuchung der Provinz Groningen hat verschiedene Szenarien betrachtet, wie eine Direktverbindung kurzfristig eingerichtet werden könnte, und unter anderem herausgefunden, dass der Ende 2024 erreichte Bauzustand einzelne zusätzliche direkte Züge auf der Wunderline zulässt. Diese könnten bereits die Fahrzeit gegenüber heute auf ca. zwei Stunden verkürzen, müssten aber noch mit Diesel gefahren werden, weil die Niederlande die Strecke zwischen Ihrhove und Groningen trotz großen Nutzens nicht elektrifizieren wollen. Angesichts der Entscheidung Niedersachsens für den flächendeckenden Einsatz batterieelektrischer Triebwagen fordern PRO BAHN und ROVER die Provinz Groningen auf, diese Fehlentscheidung zu revidieren.

„Diese Übergangslösung bis zu Ausbau und Elektrifizierung könnte aus einem Akkutriebzug bestehen, der den ganzen Tag als Regionalexpress mit wenigen Halten zwischen Bremen und Groningen pendelt. Bei einer Fahrzeit von ca. zwei Stunden je Richtung können damit mindestens drei tägliche Direktverbindungen angeboten werden“, erläutert Menno Visser die Idee. „Also eine deutliche Verbesserung gegenüber heute“.

„Aber auch dafür muss die Friesenbrücke länger für Züge verfügbar sein, als es heute geplant ist. Ansonsten ist selbst dieser erste Schritt nicht umsetzbar“, betont Malte Diehl das Problem. „Wir rufen Niedersachsen und den Bund auf, hier eine fahrgastfreundliche, den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechende Lösung zu finden.“

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