Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) hat 2024 ein umfassendes Zielbild für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in Niedersachsen veröffentlicht. Es beschreibt, wo in den kommenden Jahren welche Anpassungen und vor allem Ausbauten des Verkehrsangebots geplant sind und welche Verbesserungen an der Infrastruktur dafür durchgeführt werden müssen. Niedersachsen hat sich damit als eines der letzten Bundesländer ein solches Zielbild gegeben.
Die vollständige Dokumentation mit einer interaktiven Karte finden Sie auf den Seiten der LNVG: https://www.lnvg.de/spnv/spnv-konzept-2030-2040
Wichtig ist dabei, dass es sich um ein Kopnzept handelt, das noch mit den nötigen Finanzmitteln und Baumaßnahmen unterlegt werden muss. Derzeit sind die sogenannten Regionalisierungsmittel noch so knapp, dass keine nennenswerten Ausweitungen im SPNV möglich sind – und Niedersachsen leistet sich seit Jahren den Luxus, entgegen dem Sinn des Gesetzes (aber nicht rechtswidrig) über 200 Mio. € jährlich für die Finanzierung von Busverkehren, die eigentlich von den Landkreisen bzw. Niedersachsen selbst bezahlt werden müssten, abzuzweigen. Gleichzeitig ist das Netz an vielen Stellen so auf Kante genäht, z.B. zwischen Oldenburg und Osnabrück oder zwischen Buchholz, Soltau und Hannover, dass nicht mehr zusätzliche Züge fahren können, sofern nicht zuerst die Infrastruktur erweitert wurde. Dafür fehlt es aber vielerorts und besonders bei der Deutschen Bahn seit Jahren an Planungskapazitäten.
Infolge der schwarz-roten Koalition im Bund sollen allerdings verschiedene Verbesserung umgesetzt werden, die den Ländern mehr Geld für die Bestellung von Zugleistungen einbringen und die Umsetzung von Maßnahmen beschleunigen. Beispielsweise sollen Elektrifizierungen von der Berechnung eines Nutzen-Kosten-Verhältnisses ausgenommen werden. Man dar gespannt sein, ob und inwieweit sich tatsächlich etwas tut.
Wesentliche Eckpunkte des LNVG-Konzepts sind nach Bewertung von des Fahrgastverbands PRO BAHN:
- Ausbau des Regionalexpress-Netzes auf einen ganztägigen flächendeckenden (angenäherten) Halbstundentakt
- Ausbau der S-Bahn-Netze rund um Hannover und Bremen auf ganztägigen Halbstundentakte im direkten Einzugsbereich der beiden Kernstädte
- Verdichtung des Regionalbahnverkehrs im Süden Hamburgs auf einen ganztägigen Halbstundentakt für alle Bahnhöfe
- Etablierung eines Stundentakts als Mindestangebot auf allen niedersächsischen Eisenbahnstrecken.
Der Landesverband von PRO BAHN hat sich zum Konzept kurz nach Veröffentlichung geäußert. Insgesamt wird das Konzept positiv beurteilt, weil es in vielen Landesteilen für erhebliche Mehrleistungen und Verbesserungen sorgt. Im Detail bestehen aber noch verschiedene Kritikpunkte, etwa der Wegfall wichtiger Direktverbindungen im Südharz, über die wir mit der LNVG im Austausch stehen.
Speziell für Oldenburg und Umgebung können Sie im Folgenden eine Analyse des Konzepts anschauen, die am 18.11.2024 im Rahmen einer Sitzung des Verkehrsausschusses der Stadt Oldenburg vorgetragen wurde. Die Grafik veranschaulicht das geplante Zugangebot, das insgesamt eine deutliche Verbesserung gegenüber heute darstellt.

Oldenburg soll zum Taktknoten zur Minute ’00 und zur Minute ’30 ausgebaut werden. Das bedeutet, dass dann jeweils zur vollen und zur halben Stunde Anschlüsse aus allen in alle Richtungen bestehen. Das wird aber nur funktionieren, wenn zuvor die Strecken Oldenburg – Leer und Oldenburg – Osnabrück ausgebaut wurden, da sie derzeit vollständig ausgelastet sind und keine weiteren Züge aufnehmen können. Darüber hinaus bleiben verschiedene wichtige Verbindungen, z.B. von Oldenburg direkt ins Ruhrgebiet oder nach Groningen auch im LNVG-Konzept weiterhin mangelhaft. Hier müsste nachgebessert werden. Gleiches gilt für die Stadtteilhalte. Hier ist nur eine Option für Ofenerdiek vorgesehen, aber noch nicht fest eingeplant. Krusenbuch, das fahrplantechnisch ebenfalls machbar wäre, bleibt ganz außen vor, um das RE-Konzept nach Osnabrück nicht zu “verwässern”.
Als Fahrgastverband PRO BAHN unterstützt die im Konzept genannten Ausweitungen des Angebots und die zugehörigen Infrastrukturmaßnahmen grundsätzlich, stellt aber auch einige darüber hinausgehende Forderungen.
Zugangebot: Während das Konzept der LNVG an sich schon viele Verbesserungen bietet, gibt es doch einige Mängel:
- Besonders an Wochenenden wird der Halbstundentakt laut Konzept nur am Nachmittag fahren. Das ist zu wenig. Wir fordern einen durchgehenden Halbstundentakt von früh bis spät auf allen Strecken!
- Neue Haltepunkte sind nicht berücksichtigt, obwohl sich mindestens Ofenerdiek und Krusenbusch sehr gut in das Konzept integrieren lassen. Das muss korrigiert werden! Wunderline: Wir brauchen zusätzlich einen durchgehenden Scnellzug Bremen – Oldenburg – Groningen. Dafür gibt es noch keine Pläne.
Streckenausbau: Die Strecken rund um Oldenburg müssen in die Lage versetzt werden, das ausgebaute Zugangebot zu bewältigen. Dafür fordert PRO BAHN:
- Ersatzneubau der Huntebrücke: Durchschnittlich hat die Brücke alle zwei Wochen einen Defekt. Das dadurch verursachte Verkehrschaos ist nicht mehr hinnehmbar!
- Die Strecke Oldenburg – Leer muss für die Regio-S-Bahn und den zunehmenden Güterverkehr umgehend abschnittsweise zweigleisig ausgebaut werden.
- Die Strecke Oldenburg – Osnabrück muss umgehend elektrifiziert, abschnittsweise zweigleisig ausgebaut und mit mehr Kreuzungsbahnhöfen versehen werden.
- Die Strecke Oldenburg – Bremen muss vollständig für den Gleiswechselbetrieb ausgebaut werden, damit bei Bauarbeiten zwischen Oldenburg und Hude keine Züge ausfallen müssen.
- Auf der Strecke zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven sind weitere Gleiswechsel einzubauen, um die Kapazität zu erhöhen.
Finanzierung: Das Geld reicht hinten und vorne nicht für dringend nötige Mehrleistungen. Daher fordert PRO BAHN:
- Das Land Niedersachsen muss dafür sorgen, dass die nötigen Gelder für den Ausbau des Zugverkehrs bereitgestellt werden.
- Dazu soll es sich für mehr Regionalisierungsmittel des Bundes einsetzen (soll es laut Koalitionsvertrag im Bund tatsächlich geben) und eigenes Geld zuschießen.
- Die Zweckentfremdung über 120 Mio. € aus den Zuwendungen des Bundes muss sofort aufhören; diese Gelder gehören in das Zugangebot investiert!
- Auch die Finanzierung des Regionalbusverkehrs muss verbessert werden, um an mehr Stellen Umstiege zwischen Bus und Bahn zu schaffen.